Persönliche Stellungsnahme unseres Landesvorsitzenden Cornelius Golembiewski

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Am Mittwoch berieten die Ministerpräsidenten mit Angela Merkel über weiter Maßnahmen gegen die Corona-Krise. Der gefasste Beschluss, der eine Schließung aller Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie der Gastronomie für 4 Wochen vorsieht, klingt niederschmetternd.

Ein zweiter Lockdown? Schon wieder? Wie sollen unsere Restaurants, Bars und Kulturschaffenden das überleben?

Ich verstehe den initialen Widerspruch und die Ablehnung, die Angst um unsere geliebte Kultur und unsere Lieblingsbar an der Ecke - das ging mir ganz ähnlich. Besonders wir als junge Generation haben durch Corona deutlich düsterere Zukunftschancen. Der Jobmarkt wird kleiner, die Rezession steht vor der Tür und Bildungswege wurden und werden schmerzlich unterbrochen. Viele Minijobs, mit denen sich Schüler und Studenten ein Zubrot verdienen können, fallen nun weg.

Doch lasst uns einen Moment innehalten und die Ausgangslage betrachten:

  • Allein in den letzten Tagen gab es in Deutschland fast 80.000 Neuinfektionen und 308 Todesfälle durch Corona. - (Deutschlandweite 7-Tages-Inzidenz 93,6)
  • Verdopplung der Fallzahlen alle 7 Tage
  • Verdopplung der belegten Intensivbetten (mit Corona-Patienten) alle 10 Tage
  • Labore mit 86 % Auslastung nah an der Kapazitätsgrenze. Chemikalien, die auf dem Weltmarkt knapp werden.

Das sind bedrückende Zahlen, die nichts Gutes verheißen. Der Virus wird spürbarer, Freunde müssen in Quarantäne, Großeltern verzichten wieder auf den Gang in den Supermarkt. Es ist, als würden wir an der Küste stehen und einem aufkommenden Tsunami direkt ins Auge sehen.

Wichtig ist: Niemand hat sich Corona ausgedacht oder absichtlich erfunden. Covid-19 ist eine natürlich auftretende neue Erkrankung, die die Weltgemeinschaft seit Januar in Atem hält. Wir befinden uns in einer absoluten Ausnahmesituation, zu der es keine IKEA-Anleitung oder DIY-Pinterest Rubrik gibt. Kein Wissenschaftler und kein Politiker auf der Welt weiß, was das beste ist. Was wir aktuell in Europa und der Welt erleben, ist wie ein riesiger Feldversuch. Jedes Land fährt seinen eigenen Versuchsansatz. Erst am Ende werden wir sehen, welcher Ansatz der Bessere war.

Doch was sollen wir jetzt tun? Auf die Welle warten? Auf eine Anhöhe rennen?

Die Lage ist ernst. Wenn wir einfach warten, haben wir Bilder, wie wir sie aus Italien und Spanien im Frühjahr kennen. Unser Gesundheitssystem ist nicht selbstverständlich und funktioniert nicht durch Betten allein. Es braucht Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger, die sie betreuen. Modellrechnungen haben gezeigt, dass der Ausfall von nur 20 % der medizinischen Fachkräfte das System bereits ernsthaft bedroht.

Also müssen wir handeln. Die Ministerpräsidentenkonferenz hat sich dazu auf einen Lockdown light geeinigt mit offenen KiTas, Schulen und Arbeitsplätzen. Ob das richtig ist, können wir noch nicht wissen, aber ich finde, unter bestimmten Umständen ist es einen Versuch wert!

Warum? Zwei Gründe:

  1. Ziel ist es jetzt, alle Energie und Anstrengung in vier Wochen mit konsequenten Einschnitte zu konzentrieren und dafür im Gegenzug hoffentlich langfristig wieder ein niedriges, kontrollierbares Infektionsgeschehen zu haben. Heißt: Das System vor dem Kollaps bewahren und ein möglichst normales Leben im Anschluss gewährleisten.

  2. Eine gesunde Gesellschaft mit niedrigen Infektions- und Sterbezahlen ist langfristig wirtschaftlich erfolgreicher (Dies zeigte sich bereits in der ersten Welle: Das BIP der Länder mit weniger Corona-Toten, wie Deutschland, ist wesentlich geringer gefallen als von Ländern mit hohen Todeszahlen wie Großbritannien).

Leider verteilt sich das Leid, das durch Corona und die Maßnahmen verursacht wird, nicht gleichmäßig auf alle. Es gibt Branchen, Menschen, Unternehmen und Geschäfte, die unter den Regelungen besonders leiden. Dazu gehören Künstlerinnen und Künstler, Roadies, Gastronomische Einrichtungen, aber auch ganze Bevölkerungsgruppen, wie junge Menschen und Senioren.

Diese Ungleichheiten müssen wir als Gesellschaft offen und ehrlich adressieren und durch aufrichtige Solidarität ausgleichen! Wir müssen die entschädigen, die zum Wohle aller am meisten leiden!

Deswegen stellen ich diese vier Forderungen als Ausgleich während und nach dem Lockdown an Gesellschaft und Politik:

1. Unkomplizierte Überbrückungshilfen III (75 % Umsatzausgleich) für alle, die im November am meisten leiden werden:
Gastronomie, Kultureinrichtungen und Solo-Selbstständige! Dabei sollte das Jahresmonatsmittel aus 2019 als Referenz dienen, nicht November 2019.

2. Kultur und Freizeit sind keine Nebenprodukte, sie sind Notwendigkeiten!
Anerkennung, dass Kultur, Musik, Freizeit und ja auch Partys ein wichtiger Teil unseres Lebens sind! Arbeit allein ist für die meisten nur ein Mittel und kein Existenzgrund. Kultur, Freizeit und menschliche Interaktionen machen unser Leben erst lebenswert! Deswegen brauchen wir Strategien - etwa die Einführung von Schnelltests vor Veranstaltungen - wie wir Kultur & Co wieder gewährleisten können.

3. Anerkennung der psychischen und wirtschaftlichen Belastungen für junge Generationen:
Nach dem Lockdown müssen Möglichkeiten geschaffen werden, wie jungen Menschen sicher und einfach Zeit gemeinsam verbringen können. Außerdem müssen Ausgleiche für die verlorene Zeit geschaffen werden, wie die temporäre Aussetzung von Langzeitstudiengebühren.

4. Unterstützung von Senioren in und nach der Isolation.
Auch ältere Menschen leiden besonders unter der Reduzierung sozialer Kontakte. Wir müssen Covid-sichere Besuchsmöglichkeiten in Pflegeeinrichtungen schaffen (FFP2-Masken, Schnelltests, Besucherkabinen etc.)

Es kann nur funktionieren, wenn wir als Gesellschaft gemeinsam daran arbeiten! Ich weiß, es ist schwierig, aber jeder kann jetzt einen Teil beitragen. Deswegen lasst uns wieder die Nachbarschaftshilfen ins Leben rufen, für Senioren in unserem Umfeld einkaufen, mit Freunden und Verwandten telefonieren und unsere Lieblingsrestaurants mit Bestellungen unterstützen!

Ich habe lange überlegt, ob und - wenn ja - wie ich mich dazu äußere, aber ich habe mich intensiv seit März als Hygienearzt mit dem Virus und seinen Auswirkungen auseinandergesetzt. Nach längerem Überlegen und intensiver Recherche habe ich mich dann zu dieser zugegebenermaßen längeren Stellungnahme entschieden, weil das Thema komplex ist und keine einseitige Betrachtung verdient.

Selbst wenn die Nachrichten Euch keine Jubelschreie entlocken, denkt einfach: Es sind maximal vier Wochen und wenn es gut läuft, gibt es vielleicht nach zwei Wochen schon Lockerungen.

Falls Ihr Fragen zu den medizinischen Fakten oder eine coole Idee für eine Corona-konforme Hilfsaktion habt, könnt ihr Euch gerne jederzeit bei mir melden. Ich werde auf jeden Fall meinen Anteil leisten und zu Hause zu bleiben. Wie ist Eure Meinung? Ich freue mich, von Euch zu hören: Cornelius@ju-thueringen.de.

Das Ganze ist kein Warten, aber auch kein Weglaufen. Wenn es gelingt, ist es ein Wellenbrecher.
Vielen Dank fürs Lesen und bleibt gesund!

Liebe Grüße und bleibt gesund,

Cornelius
#stayhomesavelives

Kontaktperson

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